Kickerbau-Experte Klaus Schankat

27. Juli 2011

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Lieber Klaus, Du giltst nicht nur im Tischfussball Forum als Deutschlands größter Kickerbau-Experte, auch anderswo wirst Du als Kickertisch-Doktor hoch angesehen. Man sagt Dir nach, Du kennst fast jeden Kickertisch, sowohl vom Äußeren als auch vom Inneren, wie Deine Westentasche. Wann und wie ist diese Leidenschaft zum Kickerbau entstanden?
Meine Güte. Übertreibe bitte nicht mit deiner Lob-Hudelei. Eine Nummer kleiner würde es auch tun und wäre mit Sicherheit angemessener. Aber zur Frage: Ich habe vor langen Jahren mit meiner Frau und einem weiteren Leiter die Jugendgruppe einer freien evangelischen Kirchengemeinde geleitet. Dort hatten wir erst einen Kinder-Kicker. Dann konnten wir einen alten ausrangierten italienischen FAS-Tisch übernehmen, der vorher in einem städtischen Jugendhaus gestanden hatte. Der Hausmeister dort hatte die Original-Lager gegen einfache Plexiglas-Scheiben ausgetauscht. Die meisten Stangen waren völlig krumm gebogen – das städtische Jugendhaus arbeitete eben in einem sozial nicht so gut gestellten Stadtteil. Nun, es hat trotzdem viel Spaß gemacht, auf dem Ding zu spielen, wobei wir damals ohne jede Technik gespielt haben. Einfaches kick and rush und immer den Ball nach vorne geprügelt, bis ein Tor fiel. Irgendwann war dann die Zeit mit der Jugendgruppe vorbei. Jahre später fiel mir dann ein, wie viel Spaß das immer gemacht hatte. Und ich schaute mich bei Ebay um und stellte fest, dass Kickertische inzwischen absolut bezahlbar waren. Aber welchen davon nehmen? Ich stieß auf tischfussball-online.com und tischfussball.de, wo damals (Anfang 2006 war das) nur die LLL-Tische als brauchbare Tische akzeptiert wurden und sonst gar nichts. Die Ullrich-Tische oder den Fireball gab es ja zu der Zeit noch nicht bzw. deren Qualität war noch sehr umstritten. Die LLL-Tische waren mir aber einfach zu teuer, zumal wir damals gerade ein Haus gekauft hatten und überlegen mussten, wofür wir unser Geld ausgeben. Und da ich immer schon gerne mit Holz gearbeitet habe, beschloss ich dann, eben selber einen Tisch zu bauen. Das war der Start. Mitte 2006 war dann der erste Tisch fertig. Die Leidenschaft hat sich auch über die Diskussionen in den Internet-Foren ergeben. Da wurde oft über Kleinigkeiten erbittert diskutiert und gestritten. Gleichzeitig gab es aber zu der Zeit kaum Maßangaben oder Detail-Infos über die „richtige“ Konstruktion von Kicker-Tischen. Das alles hat mich gereizt, das so intensiv zu betreiben und dann die gesammelten Informationen über kickerbau.org allgemein zugänglich zu machen.

Auf Deiner Webseite www.kickerbau.org stellst Du zahlreiche Kickertisch-Modelle mit vielen Bildern und ausführlichen Infos vor. Wieviele verschiedene Kickertisch-Modelle hast Du bisher unter die Lupe genommen?
Da ist inzwischen natürlich einiges zusammen gekommen. Mit einer Zahl kann ich aber gar nicht dienen. Bei den Bildgalerien haben viele Foren-Kollegen mitgeholfen. Wenn ich das durchgehe, habe ich die Fotos für ungefähr die Hälfte der Bildgalerien selbst gemacht, der Rest wurde mir von vielen netten Leuten zur Verfügung gestellt. Auch an dieser Stelle möchte ich dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön sagen!

Welche Eigenschaften sollte Deiner Meinung nach ein Kickertisch haben, und was ist ein absolutes No-Go?
Erst einmal muss ich sagen, dass ich nicht so sehr auf einen bestimmten Tisch-Stil festgelegt bin. Ich spiele zwar vor allem Soccer-Tische, aber das liegt daran, dass dieser Stil hier in Deutschland eben am meisten verbreitet ist. Daneben spiele ich sehr gerne meinen Fireball light. In den Bonzini habe ich mich in Hannover auf der Tischfußball-Messe ein wenig verliebt, aber da bin ich natürlich nach ein paar Minuten Spielpraxis weit davon entfernt, diesen Tisch zu beherrschen. Und auch ein Tisch mit Glasplatte hat seinen Reiz, wobei ich diesen italienischen Stil persönlich so gut wie gar nicht kenne. Was ich damit sagen will: Bei den Spieleigenschaften finde ich jeden Stil berechtigt und spannend. Wenn es also um notwendige Tisch-Eigenschaften oder No-Go's geht, würde ich eher in Richtung technischer Unzulänglichkeiten denken. Was gar nicht geht, ist ein durchhängendes Spielfeld (außer vielleicht beim iberischen Tisch-Stil, wo das so sein soll). Das killt schon sehr schnell jede Spielfreude. Ärgerlich ist es, wenn jeder Ball aus dem Tor zurück kommt – das ist für mich als „Konstrukteur“ einfach unbefriedigend. Die Griffe müssen stimmen und sich gut spielen lassen, und das gerne auch, ohne dass man zuerst mal irgendwelche Bänder drum wickeln muss. Und ein Tisch braucht eine gewisse Grundstabilität. Wenn beim Schuss der ganze Tisch in Bewegung ist und sich verwindet, geht auch schnell jeder Spaß verloren.

Gibt es einen Kickertisch, der es Dir von der Konstruktion her besonders angetan hat?
Nein, eigentlich nicht. Ich finde eher die Unterschiede spannend. Bei den Fernost-Tischen finde ich z. B. interessant, wie die in den Ecken montierten Beine den ganzen Korpus zusammen halten und ihm Stabilität geben. Leonhart geht bewusst in eine ganz andere Richtung und verleimt den Korpus selbst über Eck mit einer zusätzlichen eingeleimten Fremdfeder, um das Verwinschen des Korpus zu verhindern. Es gibt da also so unterschiedliche Ansätze und Lösungen und so viele Menschen haben sich Gedanken darüber gemacht, wie bestimmte Probleme am besten zu lösen und dann in der Massenfertigung am billigsten zu produzieren sind. Das finde ich spannend.

Was macht Dir mehr Spass: kickern oder Kickertische unter die Lupe nehmen?
Beides macht mir Spaß. Beim Kickern selbst habe ich es aber kaum über ein gepflegtes Kneipen- oder Hobby-Niveau hinaus gebracht. Dass wir dieses Interview führen, liegt ja auch nicht daran, dass ich ein toller Spieler wäre, sondern an kickerbau.org und am Kickertisch-Bau. So gesehen, ist das Bauen schon ein sehr wichtiger Aspekt. Aber ohne den Spaß am Spiel hätte ich keine Lust am Bauen – da geht es mir schon anders als dem einen oder anderen Händler oder Anbieter, der gar nicht selber spielt.

Vor über einem Jahr hast Du eine ausführliche Doku zur „Tischfussball Geschichte“ angekündigt. Wie weit bist Du mit Deiner „Doktorarbeit“, wann wird sie fertig sein und wie ausführlich wird sie werden?
O ja – die Doktorarbeit. Das ist ein wunder Punkt. Im Grunde steht schon einiges, andererseits fehlt aber auch noch sehr viel. Die Teile „Ursprünge“ und „Meilensteine“ sind schon sehr weit gediehen und fast veröffentlichungsreif. Aber aus der neueren Geschichte fehlt auch noch sehr viel. Da weiß ich zwar schon, was zu beschreiben ist, aber das ist alles noch nicht formuliert. Und ich muss einräumen, praktisch seit einigen Monaten nicht mehr sehr viel daran gearbeitet zu haben. Einigen Leuten habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt, was bisher steht, und sie waren schon sehr beeindruckt davon. Eigentlich hatte ich vor, zu einem Zeitpunkt mit der Veröffentlichung zu starten und dann jeden Sonntag ein weiteres Häppchen zu präsentieren. Bei diesem Vorgehen würde es über ein Jahr dauern, bis alles veröffentlicht ist. Das Problem ist nur, dass dann eben auch jeden Sonntag ein Teil fertig sein muss. Und das kann ich derzeit nicht garantieren. Also überlege ich, von diesem ursprünglichen Plan wegzugehen und die Teile nach Fertigstellung unregelmäßig zu veröffentlichen. Ich muss schauen ...

Bist Du während Deiner Arbeit zur Tischfussball Geschichte auf hochinteressante Neuigkeiten gestoßen, die den meisten Tischfussball-Begeisterten bisher vorenthalten sind? Kannst Du unseren Lesern vorab einige interessante Infos verraten?
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass die meisten Darstellungen der Tischfußball-Ursprünge im Internet heftige Fehler enthalten. So hat z. B. der Franzose Lucien Rosengart mit der Erfindung des Kicker-Tisches in unserem Sinn gar nichts zu tun. Aber immer wieder wird er als einer der Erfinder genannt. Richtig ist, dass die praktische Ausbreitung der Kicker-Tische wohl in Frankreich in den 1930er Jahren begonnen hat. Bildmaterial aus der Vorkriegszeit gibt es allerdings so gut wie nicht. In alten französischen Automaten-Fachzeitschriften würde man vielleicht die eine oder andere Information finden. Aber leider kann ich kein Französisch, so dass die Kontaktaufnahme nach Frankreich immer ziemlich schwierig und umständlich ist. In Deutschland beginnt die Kickertisch-Geschichte Anfang der 1950er Jahre, wo neben anderen Import-Modellen direkt der bis heute bekannte Original-Kicker in Erscheinung tritt, damals aber noch mit Holzfiguren. Eine andere spannende Geschichten ist die Entwicklung des Soccer-Stils in der ersten Hälfte der 1970er Jahre und der Import dieses Stils nach Deutschland.

In den letzten Jahren hat sich in der Kickertisch-Szene vieles geändert. Wie beurteilst Du die aktuelle Lage... Sind die deutschen Kickertisch-Hersteller auf dem richtigen Weg?
Es hat sich in der Tat einiges getan. Wie ich schon sagte, fanden vor gerade einmal fünf Jahren nur die LLL-Tische Gnade vor den Augen der ambitionierten Spieler. Heute gibt es dazu die ganze Ullrich-Modellpalette, die Lettner-Tische, den Vector III von Kicker-Klaus, den KnalldenBall von Sven Hartmann oder auch den Fireball, der von der dahinter stehenden Spielphilosophie wirklich sehr interessant ist. Die Auswahl ist also größer geworden und es gibt heute akzeptable und gute Tische zu auch für Gelegenheits-Spieler vertretbaren Preisen. Ob die Hersteller insgesamt auf dem richtigen Weg sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Szene träumt im Moment heftig vom Aufstieg des gesamten Kicker-Sports zu einer anerkannten Sportart und großer Popularität. An dieser Stelle weiß ich nicht, ob diese Sicht oder Erwartung so realistisch ist. Auch ich denke, dass Kickern ganz klar die Kriterien einer Sportart erfüllt. Aber die Anerkennung als Sport alleine hilft ja nicht weiter. Ein Arbeitskollege ist Leistungssportler im Kanu-Rennsport. Das ist seit Jahrzehnten eine olympische Sportart. Das bringt aber nicht automatisch mit sich, dass große Gelder fließen. Für den Sportler bleibt sein Sport eine Angelegenheit, die mehr kostet, als sie einbringt. Ich denke, hier erwartet die Szene einfach zu viel, weil sie vielleicht beim Thema Sport zu sehr in Richtung Tennis oder Fußball denkt. So finanzträchtig ist aber beileibe nicht jede Sportart. Und dann hat es in der Geschichte des Tischfußballs schon einige Hochphasen gegeben, an die sich wieder nicht so gute Zeiten angeschlossen haben. Dies zeigt, dass eine Aufwärtsentwicklung nicht automatisch immer weiter und weiter gehen muss. Hier brauchen die handelnden Personen einen ganz langen Atem, denke ich. Aber ich wünsche ihnen dieses Durchhaltevermögen!
 
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