Farid Lounas - Präsident des ITSF im Interview

17. Februar 2018
Farid-Lounas-ITSF.jpg


Wie kann man sich das Leben des ITSF Präsidenten vorstellen… arbeitest du ganztags oder eher halbtags mit einem Nebenberuf? Arbeitest du ehrenamtlich?
Da gibt so einige Tischfußball-Spieler, die Präsidenten ihrer eigenen Clubs oder Verbände sind und ein ähnliches Leben führen wie ich. Ich bin seit 18 Jahren Präsident meines eigenen Clubs (die Gründung war 1991), seit 12 Jahren bin ich außerdem Präsident des französischen Verbandes und darüber hinaus bin ich ITSF-Präsident seit der Gründung im Jahre 2002.

Es ist ein Vollzeitjob und man muss so viel wie möglich reisen um Verbände und Partner zu unterstützen und um bei den internationalen Sport-Treffen dabei zu sein, sowie bei den World-Events und auf Messen.
Ich mache das auf freiwilliger Basis, da ich keinen Vertrag habe, aber seit zwei Jahren erhalte ich 1.000 Euro pro Monat in meiner Position als ITSF Präsident.
Da wir nun ebenfalls ein beobachtendes und prüfendes Mitglieds des GAISF sind, müssen wir alle härter arbeiten und dies betrifft vor allem jeden einzelnen Verbandspräsidenten.

Als Privatperson bin ich parallel verantwortlich für Filmgesellschaften (Capricci, capricci films, etc), ein Film-Magazin und Film-Festivals (Sofilm), dies seit 18 Jahren.

Hast du noch genug Zeit für ein Privatleben? Wie oft spielst du selber Tischfussball?
Vielen Dank, dass Du dir über mein Privatleben Gedanken machst :) Ich versuche alles so zu organisieren, dass ich bei den wichtigsten Momenten in meiner Familie (Frau und zwei Kinder) dabei bin. Das beginnt damit, dass ich jeden Morgen meine Kinder zur Schule begleite, wann immer es mir möglich ist.

Ich versuche einmal wöchentlich Tischfußball mit meinen Freunden zu spielen und dabei Spaß zu haben und an etwa drei bis vier Turnieren im Jahr (lokal oder national) teilzunehmen, aber selbst wenn ich mich dafür qualifiziere, darf ich nicht beim ITSF World Cup und den World Championships mitspielen - das ist eine der weniger erfreulichen Seiten meines Jobs.

Der ITSF wurde im Jahre 2002 gegründet und der Hauptsitz liegt in Nantes, Frankreich. Seitdem bist du als Präsident dort tätig. Wie viele Leute waren im Jahre 2002 für den ITSF in der Verwaltung tätig und wie viele sind es heute?
Von 2002 bis 2004 arbeitete ich allein. Dies waren sehr aufregende Zeiten, da wir kein Budget hatten, aber wir reisten um die ganze Welt, mehr als 120 Tage im Jahr, um unsere Idee zu verbreiten, eine internationale Föderation zu starten und in Gang zu bringen.

2004 stellten wir unsere erste Mitarbeiterin ein, Christine Cabrere. Inzwischen arbeiten zwei Personen als feste Mitarbeiter (bald werden es drei sein). Die meiste Arbeit wird allerdings von einer Gruppe von Freiwilligen übernommen, die in verschiedenen Kommissionen tätig sind.

Eine internationale Organisation wie der ITSF muss sich jeden Tag um folgendes kümmern:
Föderations-Beziehungen, Sport-Organisation und Regeln, Turniere und Software, die Zusammenarbeit mit internationalen Sport-Managern (IOC, GAISF, WADA, etc), Buchhaltung, allgemeine Administration, Kommunikation, geschäftliche Angelegenheiten, Kommissionsorganisation, Betreuung der Spieler (inkl. Ansprechpartner für Fragen sein), Beziehungen zu unseren Partnern, die Organisation von Großevents (World Cup, World Championchips, ECL, ICC, Masters, Kongresse) Bewerbungen, Tischfußball für alle. Dies ist mehr oder weniger das, was eine Föderation alles tun sollte.

Weißt du, wie viele aktive Tischfussball-Spieler es weltweit gibt? Wie sieht der Trend für die Zukunft aus?
Wir können keine Anzahl aktiver Spieler nennen. Wir wissen aber, dass in den meisten Ländern der Welt aus Tradition gerne Tischfußball gespielt wird – das bedeutet, es gibt Millionen von Tischfußball-Begeisterten.

Ich kann Dir ein paar Beispiele von organisierten Verbänden nennen, wo es viele Liga-Spieler gibt: Spanien liegt hier wohl ganz vorn mit 12.000 bis 15.000 aktiven Spielern (allein 12.000 Mitglieder spielen im spanischen Verband FEFM), Deutschland zählt ca. 8.000 Ligaspieler, Italien 6.000, Belgien und Benelux ungefähr 4.000. Die meisten liegen in Europa aber es gibt auch andere Länder, wie den Iran, die auch mehrere Tausend aktive Spieler haben.

Die Zukunft hängt ganz von den Verbänden ab und wie sie Jugendprogramme, Liga-spiele usw. initiieren. Ich denke, wir sollten ebenfalls die „kleinen“ Tischfußball-Länder, wie z.B. China ermutigen und fördern.

Aktuell hat der ITSF weltweit ca. 55 Mitgliederverbände. Werden in 2018 neue Verbände aufgenommen?
Es gibt einige Länder, die dem ITSF beitreten möchten. Ich denke da an Nepal, Mexiko oder die Republik Kongo.

Seitdem wir im Beobachtungsstatus des GAISF stehen, ist es aber nicht das primäre Ziel noch mehr Mitglieder zu bekommen. Wir brauchen vielmehr solide und starke Verbände, die in der Lage sind, Teil ihres nationalen olympischen Komitees zu werden, um mit Unterstützung der Regierung den Tischfussballsport zu fördern.

Wo ist global gesehen der größte Wachstumsmarkt und in welchen Gegenden wird er erwartet?
Europa ist definitiv zurzeit der größte Markt und das Potential ist immer noch gewaltig. Aber Asien, vor allem China, das völlig integriert werden möchte, könnte Europa in kurzer Zeit ablösen.

Afrika ist der Ort an dem Tischfußball wirklich überall gespielt wird, auch viel auf den Straßen. Wir brauchen noch Zeit um dort starke Verbände zu etablieren. Wir haben bereits angefangen und die ersten Ergebnisse werden sich bald zeigen.

Südamerika ist auch ein Tischfußball-Kontinent. Tischfußball ist dort ein sehr traditionelles Spiel. Die Aktivität ist wichtig in jedem Land auf diesem Kontinent; die Verbände sind hoch motiviert und ich bin sicher, wir können Tischfußball dort zu etwas Großem machen, wenn wir es schaffen können staatliche Unterstützung zu erhalten.

Nordamerika war Jahrzehnte lang die Weltbühne was Tischfußball angeht, das Potential ist dort immer noch hoch und es wird eine Menge Arbeit sein es wieder zur Nummer Eins zu machen.

Wie ist aktuell deiner Meinung nach die internationale Anerkennung für den Tischfussball und wie kann es gelingen, mehr Menschen auf der ganzen Welt für unseren Sport zu begeistern?
Tischfußball hat einen ausgezeichneten Ruf. Je nach Land kann Tischfussball als ein Kneipen-Spiel angesehen werden oder als ein Spiel in der Schule oder als eine Freizeitbeschäftigung, dabei ist Tischfussball immer beliebt und macht großen Spaß.

Nur wenige Leute, auch wenn es mehr und mehr werden, kennen Tischfußball als einen Sport. Die Aufgabe der Verbände und des ITSF ist es, die Leute auf die Sportart aufmerksam zu machen. Viele neue oder auch alte Sportarten träumen davon unser Publikum zu haben. Die Anzahl der Menschen, die Tischfußball trainieren und Kickertische kaufen, geht konstant nach oben. Es ist übrigens eine Menge an Arbeit die Freizeitspieler mit den Verbänden zusammenzubringen.

Glaubst du, dass Tischfussball jemals eine olympische Sportart werden wird? Was unternimmt der ITSF hierbei um dieses Ziel zu erreichen?
Der ITSF befindet sich aktuell im Beobachter-Status des GAISF. Dies ist ein riesiger Schritt für den Tischfußball, es hat so viele Jahre gebraucht, bis das geklappt hat. Ich möchte allen Menschen, die in diesem Projekt involviert waren gratulieren und wir nutzen die Gelegenheit damit zum nächsten Level aufzusteigen.

Wir müssen 40 Verbände unterstützen, damit sie Mitglied des nationalen olympischen Kommittee`s werden, damit wir ein vollwertiges GAISF Mitglied werden können. Dies wird unglaublich viel Arbeit für uns alle in den nächsten Jahren bedeuten. Das Beispiel mit der Schweiz, die Ende des letzten Jahres dem nationalen olympischen Komittee beitrat, gibt uns viel Hoffnung, sofern alle Verbände bereit sind ihren Job ernst zu nehmen.

Sobald wir ein vollwertiges Mitglied des GAISF sind, wird es mehr Diskussionen geben und wir können uns dann unseren nächsten Zielen hinwenden, nämlich einer Menge internationaler Sport-Organisationen beizutreten (GAISF ist nur eine notwendige Hürde). Vielleicht eines Tages dem olympischen Programm, aber das ist zurzeit noch kein realistisches Ziel.

Die Tischfußball WM 2017 in Hamburg war ein voller Erfolg und es gab viele spannende Matches mit tollem Publikum im Hintergrund. Es wurden viele Kameras installiert um die Spiele aufzuzeichnen. Dennoch gibt es von den Spielen keine Videos im Internet, die frei zugänglich sind, insbesondere auf Youtube nicht, dem mit Abstand größten Online-Video-Anbieter. Wieso nicht? Es ist zwar bekannt, das Kozoom die alleinigen Übertragungsrechte hält und man sich dort die Matches gegen eine Gebühr ansehen kann, aber bist du nicht auch der Meinung, dass sich der Tischfussball nachwievor in einer Wachstumsphase befindet und es deshalb wichtig ist, dass wichtige und spannende Matches für jederman gratis zugänglich sein sollen?
Wir suchen ständig Firmen oder Personen, die Tischfußball-Videos produzieren können. Zurzeit ist Kozoom das einzige Unternehmen, das in der Lage ist qualitativ hochwertige Videos fürs Fernsehen für einen sehr angemessenen Preis anzubieten. Die Frage, ob man Videos umsonst ins Internet stellen sollte, ist eine rege Diskussion. Ich glaube Jim Stevens (insidefoos) hat dieselbe Frage gestellt. Wir sollten immer im Hinterkopf behalten, dass die Leute, die Tischfußball-Clips produzieren und kommentieren, dies auch selbst nicht umsonst tun können.

Was Kozoom betrifft, der ITSF hat keinen Vertrag mit ihnen und bekommt auch kein Geld von Kozoom oder von anderen Anbietern. Das Kozoom Team, Jens und Mikael aus Deutschland, bekommen kein Geld vom ITSF, um ihre Videos zu produzieren. Sie können nur versuchen ihre Kosten und ihren Zeitaufwand mit dem Pay per View-System zu decken. Genau wie Jim Stevens, soweit ich weiß.

Wie würdest du deinen Kontakt zu Kozoom beschreiben? Es heißt, einer der Hauptbetreiber von Kozoom wohnt ebenfalls in Frankreich und ist ein Freund von Dir?
Kozoom, die Firma, die World-Cup Videos produziert sitzt in Frankreich (Xavier Carrer), ich kenne ihn nur seitdem er Tischfußball Videos aufnimmt. Er ist sehr professionell, ich habe keine persönliche Verbindung zu seinem Unternehmen (sein Unternehmen ist in erster Linie im Bereich Billard sehr erfolgreich).

Soweit ich weiß, aber das solltest Du Dich direkt bei Kozoom informieren, geht das Pay-per-View Geld direkt an das deutsche Kozoom-Team, Jens und Mikael, um soviele Videos wie möglich zu produzieren und ich kann nicht sagen, ob sie unterm Strich überhaupt Geld damit machen.

Aber Live Streaming und Kommunikation im Allgemeinen soll 2018 eines der wichtigsten Themen des ITSF sein. Ich glaube, dass die Videos der nächsten ICC und ITSF World Masters umsonst sein werden oder wenigstens der wichtigste Teil davon. Wir diskutieren noch darüber und ich hoffe, dass es in spätestens zwei Jahren einen Tischfußball-Sender geben wird.

Aktuell gibt es fünf verschiedene „Offizielle Tische“ und vier „Recognized Tische“. Wie positioniert sich der ITSF zukünftig in Hinblick auf die Partnertische… werden es mehr oder weniger?
Deine Frage gibt mir die Chance mich herzlich bei unseren fünf offziellen Partnern, alles Familienunternehmen, zu bedanken, die den Tischfußball seit vielen Jahren fördern.

Bonzini, Garlando, Leonhart, Roberto Sport und Tornado unterstützen den ITSF und aber auch viele nationale Verbände. Ich bin mir sicher, dass diese Kooperationen für viele Jahre erhalten bleiben und stärker und stärker werden.

In diesem Zusammenhang taucht eine wichtige politische Frage auf, die jetzt thematisiert werden muss. Wie können wir sicherstellen, dass der ITSF keine andere Spielergruppe oder Spielstil diskriminiert? Verständlicherweise können wir es nicht schaffen jede Stadt oder Region zu managen aber wir müssen versuchen zu verstehen, was Tischfußball in jedem einzelnen Land darstellt und dem Land versuchen zu helfen in unseren internationalen Verband einzutreten.

In einigen Tagen werden wir offiziell den spanischen Zwei-Beine-Stil komplett im ITSF anerkennen. Dies als Beispiel ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir haben entschieden, dass die Verbände „Pro-Tour-Events“ auf ihren eigenen lokalen Tischen organisieren können, wenn sie einen traditionellen Stil spielen oder wenn sie wirklich große Schwierigkeiten haben ITSF-Kickertische zu bekommen. Wir werden ebenfalls in den kommenden Tagen auf alle „Italian-Style“ Spieler zugehen um ihnen ein viel besseres Spielen zu ermöglichen, indem wir die Regeln anpassen und den Kickertisch modifizieren.

Da Du ein deutscher Website-Betreiber bist, wirst du mitbekommen haben, dass Guardian und Ullrich Sport letztes Jahr auch in die Kategorie „recognized tables“ eingetreten sind. Der DTFB, Silpion und der Hamburgerische Verband organisierten 2017 einen perfekten WorldCup und üben somit viel Druck auf den spanischen Verband aus (Anmerkung der Redaktion: Der nächste World Cup findet 2019 in Spanien statt).

Dies beweist, dass Deutschland einer der Führenden, wenn nicht sogar die Nummer eins im internationalen Tischfußball geworden ist.

Wo siehst du den Tischfussball in zehn Jahren?
Ich hoffe, dass unser Sport in den meisten Ländern als ein echter Sport anerkannt wird.

Tischfußball ist ein fantastisches und sehr attraktives Werkzeug für Lehrer, um pädagogische Ziele zu erreichen, wie etwa die Vermittlung von Respekt, Teamgeist, Koordination, Konzentration, voneinander lernen, Strategie, Gemeinschaftsgefühl,…es hilft Kindern sich selbst zu vertrauen und eine Menge Spaß zu haben.

Und dann wird alles andere woran Du denkst ebenfalls passieren, sobald Tischfußball ein weltweit anerkannter Schulsport ist, denn dann wird Tischfußball einer der meistgespielten Wettbewerbssportarten werden!
 
Oben