Christian Fiedler von Leonhart im Interview

16. Februar 2016

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Lieber Christian, Leonhart ist ein Familienbetrieb aus Niederbayern, der 1949 von Deinem Großvater Xaver gegründet worden ist. Es heißt, Dein Großvater war ein Erfinder-Genie, der viele Patente mit Spielgeräten angemeldet hat. Welches Patent hat er im Tischfussball angemeldet und wie kam es zur Produktion von Kickertischen?
Ja, das ist tatsächlich so. Seinerzeit hatten Kneipen und „Aufsteller“ Umsatzeinbußen, denn die Spieler klemmten immer irgendetwas in das Tor, damit die Bälle nicht hineinfallen konnten. Xaver erkannte die Situation als erster und entwickelte die sogenannte „Taschentuchsperre“ – sein wichtigstes Patent war geboren. Ein weiteres wegweisendes Patent war der mechanische Auslöseapparat. Durch die Erfindung meines Großvaters wurden die Spiele fortan mit einer Schubstange, die schwer zu manipulieren war, ausgelöst.

Unter anderem bestand auch ein Gebrauchsmuster für hochgezogene Ecken am Spielfeld, dass die Dynamik beim Kickern für den Spieler deutlich stärker in den Vordergrund stellte. Leider ist es so, dass das Gebrauchsmuster mittlerweile nicht mehr haltbar ist – es zeigt allerdings, dass Leonhart schon damals den richtigen Weg bei der Tischherstellung beschritten hat. Denn heute sind moderne Tische vieler Hersteller ebenfalls mit den hochgezogenen Ecken ausgestattet.

Bei einer Online-Recherche beim Deutschen Marken- und Patentamt haben wir herausgefunden, dass der „Entwicklergeist“ unserer Firma wirklich groß ist, denn es existieren fast 180 Patente auf den Namen Xaver Leonhart.

Wieso heißt das Unternehmen eigentlich „Leonhart“ während alle Inhaber „Fiedler“ mit Nachnamen heißen?
Die Frage ist sehr einfach zu beantworten: Mein Großvater, also der Firmengründer, hieß Leonhart. Dessen Ehefrau Johanna bekam eine Tochter. Diese übernahm nach der Heirat mit Franz Fiedler dessen Nachnamen: Fiedler! Weil wir aber ein wertorientiertes, traditionell ausgerichtetes Familien-Unternehmen sind, ist der Firmenname „Leonhart“ geblieben.

Spielt Ihr in den Pausenzeiten oder zu Hause auch selbst Tischfussball? Wer aus der Familie ist der beste Tischfussball-Spieler?
Natürlich. Wir haben nicht nur eine Vielzahl an Tischen in der Werkstatt, sondern auch einen Tisch direkt im Büro stehen, der sehr oft benutzt wird. Aber nicht nur zum Zeitvertreib, sondern speziell, um Neuerungen zu testen. Bei uns werden also die Bälle im Büro geprüft und zum Beispiel haben wir bei der Entwicklung der neuen TicTacBang-Figur sehr viel spielerisch getestet und optimiert! Auch wird bei uns logischerweise mit Besuchern im Büro in der Regel ein Spiel gemacht. Damit wir die Unterschiede bei den Figuren spielerisch anhand eines Matches erklären können, haben wir je auf einer Seite die TTB und auf der anderen Seite die klassischen Soccer-Figuren montiert. Der bessere Spieler ist sicher mein Bruder Andreas. Er spielt auch oft im örtlichen Tischfußballclub mit. Ich selber bin aber auch beim DTFB und ITSF gemeldet.

Neben Kickertischen produziert Leonhart auch Billardtische. Welches Geschäft läuft besser… Tischfussball oder Billard?
Tischfußball ist unser Kerngeschäft. Hier sind wir auch viel stärker im Sport verwurzelt als beim Billard. Unsere Billardtische kommen in der Regel in Kneipen zum Einsatz, in denen Münztische stehen. Unsere Billard-Tische sind europaweit für ihre hohe Qualität und Robustheit bekannt. Aber durch den Rückgang der Kneipenszene ist das Wachstum im Vergleich zum Tischfußball eher rückläufig.

Kicker wird zusätzlich auch weiterhin Zuhause und im Büro gespielt und das Gerät wandert vom Keller mit in das Wohnzimmer. Bei Billardtischen ist dies durch die Größe und das enorme Gewicht natürlich ein wenig schwieriger...

Was sind die Arbeitsprozesse bei der Herstellung eines Kickertisches?
Da wir in der Regel erst auf Bestellung produzieren, sind wir sehr flexibel in der Ausstattung des Tisches. Erst einmal wird die vom Kunden gewünschte Farbe auf das Holz aufgebracht. Für die präzisen Bohrungen läuft dann die CNC Fräse an. Früher wurden acht Bohrmaschinen an einer Führung für die Lochbohrung eingesetzt. Hier kam es öfters zu Unterschieden im Figuren- und Spielfeldabstand, was heute mit der programmierbaren CNC-Maschine nicht mehr passieren kann.

Anschließend werden die Teile zusammengebaut und die Bretter bekommen das Aussehen eines Tischfußballgerätes. Die gewünschte Torkonstruktion wird eingebaut, danach werden viele Kleinteile montiert. Hier kann der Kunde wieder wählen, was er alles in seinem Tisch haben möchte. Von der Stangenwahl und den Griffen bis hin zu verschiedenen Figuren und Farben für die beiden Mannschaften ist alles möglich.

Ich lade jeden herzlich ein, sich die Produktion bei uns vor Ort mal persönlich anzusehen. Viele Besucher staunen oft, wie aufwändig ein Leonhart-Tisch gebaut wird. Das hat mit einem fernöstlichen Schnellbausystem nichts zu tun.

Wie lange dauert es einen Kickertisch zu produzieren und wie viele Tische stellt Ihr pro Tag her?
Die Tische werden nicht komplett auf einmal fertig gebaut. Dies macht die Zeitangabe ein wenig schwierig. Ein paar Stationen dauern länger, andere gehen flott und müssen dann auf den nächsten Bearbeitungsschritt warten.

Unsere täglichen Stückzahlen kann ich Dir nicht nennen, da dies zu unseren Geschäftsgeheimnissen gehört. Zur Weihnachtszeit müssen wir auf jeden Fall Vollgas geben, damit jeder unserer Kunden seinen bestellten Tisch noch unter den Christbaum stellen kann. Im Sommer ist es erfahrungsgemäß immer ein wenig ruhiger.

Wie entwickelt Ihr, als holzverarbeitender Betrieb, Figuren und Bälle aus Kunststoff?
Figuren und andere Kunststoffteile lassen wir extern produzieren. Die Formen werden nach unseren Vorgaben angefertigt. Spannend ist hier z.B. die alte Leonhart Turniersieger Figur mit den abstehenden Ohren. Hier wurde die Form noch in Holz geschnitzt. Mein Großvater Xaver Leonhart stand hier höchstpersönlich „Model“. Unsere neueste Figur, die TTB, haben wir eigenständig bis zur Perfektion weiterentwickelt. Hier kam unser Bürotisch sehr viel zum Einsatz. Wir haben auch 3D-Drucke machen lassen, damit wir ein Gefühl für die Figur bekommen. Die Figur wurde so entwickelt, dass jeder Spieler, mit jeder Spielstärke und jedem Spielstil Spaß damit haben kann. Die TTB Figuren sind also nicht nur aus Zeichnungen entstanden, sondern aus einem langwierigen Prozess von realem Spielen, Verändern und Anpassen. Das hat auch bedeutet, immer wieder von vorne zu beginnen, bis wir 100% zufrieden waren.

Was die Bälle angeht; die sind extrem schwierig zu entwickeln. Hier haben wir schon sehr viel probiert. Mittlerweile haben wir bei drei verschiedenen Herstellern Formen liegen. Es ist eine enorme Herausforderung Bälle für den Spitzensport herzustellen.

Einige kunststoffverarbeitende Hersteller haben das Handtuch geworfen, da es ein enormer Aufwand ist, einen Ball zu produzieren, der absolut rund ist und somit einen perfekten Lauf garantiert. Auch muss das richtige Material gefunden werden und die Bälle müssen nach dem Spritzen noch angeraut werden.

Natürlich sind wir sehr auf den Spitzensport fokussiert und die Erfahrung hat gezeigt, dass wir bei Neuerungen sehr sensibel agieren müssen. Wir wissen, dass auch kleinste Veränderungen beim Material das Spielverhalten verändern können. Spieler, die sich Monate, wenn nicht sogar schon Jahre auf eine Materialkombination eingespielt haben, können hier - zu recht - kritisch reagieren.

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Der Klassiker Leonhart TS in einem Flyer aus dem Jahre 1970


Der legendäre „Leonhart Turniersieger“ ist in Eurem Shop nicht mehr erhältlich. Habt Ihr dieses Modell komplett aus dem Sortiment genommen?
Der Turniersieger in der „klassischen“ Form wird nicht mehr produziert. Er war in den letzten Jahren nur noch von Liebhabern angefragt worden. Da sich die Szene jedoch Richtung Sport entwickelt hat, ist der TurnierSieger immer weiter aus dem Fokus gerutscht. Auch ist die Spritzform für die Original Leonhart TS-Figur mit den abstehenden Ohren ist bei uns nicht mehr in Verwendung. Interessanterweise kann man diese als China-Nachbau aber noch in diversen Stores finden.

Welche Idee steckt hinter dem neuen BANG-Kickertisch, der viel positives Aufsehen erregt hat?
Die Idee hinter dem BANG-Tisch ist einfach: Wir wollten einen Fun-Tisch. Es macht enormen Spaß, mit den neuen Figuren auf diesem Tisch zu spielen. Es ist die Mischung zwischen den amerikanischen Tic/Tac und dem deutschen Soccerspiel, was den Tisch extrem flexibel in der Spielweise macht. Auch die Wahl des Balles ist hier weniger entscheidend: auch der rutschigste Ball lässt sich mit den TTB-Figuren immer noch gut kontrollieren. Der Tisch selbst ist bisher nicht in den Ligen zu finden. Die Figur ist jedoch für Challenger-Turniere und für den Ligabetrieb in den meisten Bundesländern zugelassen.

Der Automatenhersteller Löwen, den Ihr beliefert habt, hat in den 80ern und 90ern sehr erfolgreich eine Turnierserie veranstaltet. Was ist aus Löwen und der Turnier-Partnerschaft mit Euch geworden?
Generell hatten wir auf die Turniere von Löwen Automaten keinen Einfluss. Hier haben wir einen extremen Entwicklungsschritt in der Vermarktung und in der Turnierszene durchgemacht. Früher waren wir „nur“ der Hersteller von Löwen Tischen und des TurnierSiegers, der von anderen Großhändlern gekauft wurde. Bei den Turnieren und deren Ausrichtung hatten wir wenig Erfahrung. Es gab Elite-Spieler, die sich mit Löwen zusammengesetzt und getüftelt haben – und wir haben die gewünschten Änderungen in die Tische eingebaut. Ich vermute, dass Tischfußball in dieser Form für ein Unternehmen wenig rentabel wurde. Hier rückten andere Geräte in den Fokus. Zu dieser Zeit boomten die Touchscreen-Geräte. Diese benötigen natürlich viel weniger Platz und haben weniger Aufwand bei mehr Einspielung.

Gibt es eine Zusammenarbeit mit Löwen noch?
Wir produzieren nach wie vor noch Tische für Löwen-Automaten, aber weniger als früher.

Leonhart ist langjähriger Partner des DTFB und seit 2007 auch offizieller Partner des ITSF. Wie sind diese Partnerschaften zustande gekommen und wie lange werden sie anhalten?
Allem voran: Wir sind sehr stolz auf die Partnerschaft mit dem DTFB und dem ITSF. Auch zolle ich der Arbeit der beiden Verbände sehr viel Respekt. Man darf hier eines nicht vergessen: Die Vorstandschaft des DTFB und auch die Vorstände und Mitarbeiter der angehängten Landesverbände arbeiten alle ehrenamtlich.

Der Beginn der Partnerschaft ist eigentlich wenig spektakulär: Während meiner Studienzeit habe ich die Tischfußballszene rund um den DTFB ein wenig beobachtet. Mir hat das damals schon sehr gefallen. Irgendwann habe ich beim DTFB angerufen und dort das Interesse an einer Partnerschaft angekündigt. Schnell war das erste Treffen in Frankfurt arrangiert und die dort entstandene Verbindung ist schnell gewachsen. Durch die Zusammenarbeit haben wir sehr viel gelernt und auch mehr Kontakt zu den Spielern und Vereinen herstellen können.

Der nächste Schritt war der Status „ITSF recognized“. Hier haben wir sehr viel Vertrauen auch im Umland erfahren. Außerdem haben wir wieder eine Menge dazugelernt. Wir sind persönlich auf Turnieren z.B. in Holland gewesen und haben dort die Szene miterlebt. Das Hauptziel war natürlich die Erlangung des Status „ITSF official“. Da der ITSF nur fünf Tischpartnern diesen Status erlaubt, waren wir hier auf einen abgesprungenen ITSF Partner angewiesen. Da im ITSF demokratisch gehandelt wird, mussten wir uns der Wahl der Länder stellen, die Empfehlungen für den Hersteller ausstellen. Die meisten Länder haben für uns gevotet und somit wurden wir in den Status „ITSF official“ erhoben.

Wie lange die Partnerschaft anhält? Auf Lebenszeit. Von unserer Seite ist nicht geplant diese Partnerschaften zu beenden. Natürlich gibt es mal schwierigere Zeiten, wie z.B. eine schlechte WCS oder Problembälle. Aber genau das macht eine gute Partnerschaft aus, dass man Höhen und Tiefen gemeinsam durchmacht und anschließend gestärkt mit Erfahrung daraus hervorgeht, weil man aus Fehlern gelernt hat.

Mit welchen Bedingungen ist diese Partnerschaft in Bezug auf die Turnierserie ITSF Tour verknüpft?
Natürlich gibt es Bedienungen, um den Status „ITSF official“ aufrecht zu erhalten. Dies betrifft z.B. die Veranstaltung von ITSF Turnieren. Diese Forderungen kommt natürlich auch den Spielern zugute, welchen regelmäßig Top-Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Und das unterstützen wir gerne.

Was passiert mit den von Euch zur Verfügung gestellten Kickertischen nach Ende eines ITSF Turniers?
Wir haben mittlerweile viele Tische an verschiedenen Stützpunkten in Deutschland gelagert. In Köln z.B. haben wir einen Partner, der die Tische für uns auf Turniere transportiert und dort wieder abholt. Bei den Mega-Events wie WCS fahren wir selber. Die 100 Tische der WCS 2015 wurden anschließend als „turniergebraucht“ zu einem reduzierten Preis verkauft. Ein bestimmter Tischpool bleibt bei uns auf Lager. Diese Tische können von Landesverbänden oder auch ausländischen Verbänden für Turniere abgeholt und kostenfrei benutzt werden. Ruft uns an!

National wie international gehört Leonhart zu den erfolgreichsten Tischherstellern. Welches Modell ist Euer Bestseller?
Ganz klar die ITSF pro-tables. Anfänglich waren noch viele Spieler skeptisch wegen des hohen Tors und haben auf den leo.soccer zurückgegriffen. Wobei das klassische Tor immer noch von Spielern bevorzugt wird, welche nicht den Fokus auf ITSF-Turniere legen und das Tor von der Kneipe her kennen.

Welche Pläne hat Leonhart für die Zukunft?
Im Moment arbeiten wir mit Hochdruck an einer internationalen Expansion. Hier führen wir schon vielversprechende Gespräche und man darf gespannt sein, ob es bald auch ein Tischfußball „made in Germany“ in weiteren Ländern der Welt zu finden gibt. Außerdem arbeiten wir an einem neuen Tisch-Modell. Die bestehenden ITSF-Tische werden nicht verändert. Hier setzen wir auf Konstanz, um den Spielern ein gleichwertiges Spielgefühl zu garantieren. Das Thema Ball ist natürlich immer aktuell. Hier kann ich jedoch beruhigen: Solange es keine Verbesserung des bestehenden Balles gibt, werden wir nichts verändern. Jegliche Veränderungen würden wir auch nur in Rücksprache mit dem DTFB und den Landesverbänden realisieren.
 
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